Ein Stück ist sofort da und entwickelt sich sorgsam in feinen Verästelungen. Pierre Favre ist der dunkle Grundierer voll rhythmischer Kraft. Philipp Schaufelberger spielt seine spröden, aber wohlgesetzten Linien. Die beiden gestalten Klangräume und erschaffen sich eine Geographie mit schrofferen und weicheren Morphologien, aber auch feinen Atmosphären und Nuancen.
Die 14 Stücke sind bei allem Schwebenden fest umrissene Einheiten, in denen das klug Dosierte und Transparente den Ton angibt.
Das Duo agiert aus einer Leichtigkeit heraus, in der Kraftmeiereien und Sperrigkeiten ganz natürlich auf der Strecke blieben.
In den Farbwerkstätten der beiden Klangmaler konnten andere Qualitäten wie Reduktion, Sensibilität und eine neugierige Unbeschwertheit gedeihen.
Pirmin Bossart Jazz n’More
«Albatros»
Bei Pierre Favre ist das Schlagzeug kein Schlag-Zeug. Das Wort «schlagen» ist ein viel zu grobes Wort für die Art und Weise, wie der Zürcher Drummer seine Trommeln und Becken behandelt. Pierre Favre, Doyen unter den Schweizer Schlagzeugern, hat schon früh in seiner Laufbahn Solokonzerte gegeben, er befreite das Schlagzeug aus der Rolle des Rhythmussklaven und öffnete es hin zur Melodie und zur Klangmalerei.
Auf «Albatros» trifft Favre auf den 40-jährigen Zürcher E-Gitarristen Philipp Schaufelberger. Die CD ist sehr stimmig geworden. Die 14 darauf enthaltenen Stücke haben etwas Skizzenhaftes, die Atmosphäre ist ungezwungen. Entscheidend ist, dass sich hier zwei Gleichgesinnte begegnen, die beide das Musizieren auch als Spiel mit Klangfarben begreifen, und diese dürfen auch ganz dünn aufgetragen sein.
“Kaum Akkorde” Schaufelberger spielt eine Gitarre, die allem allzu Dichten abhold ist. Man hat den Eindruck, dass er jede einzelne Saite der Gitarre für sich betrachtet; vielleicht kommen die Saiten seines Instruments auch mal zusammen, dann erklingt ein Akkord, doch meist genügt eine einzige Saite. Höhepunkte des Albums von Favre und Schaufelberger sind die Stücke «Seeing» oder «Sky Pointing», zwei fast unbewegte Kleinode und der reinste Farbenzauber. Auf «Seeing» lässt Schaufelberger lange Töne sanft tremolieren, sensibel und versonnen; und Favre umarmt alles mit dem Gleissen seiner Becken, mit dem leisen Klang von Gongs. Auch in «Sky Pointing» hört man E-Gitarren-Töne so dünn, als wären sie mit einem Federkiel gezupft, mehr ein klangliches Flirren und Lichtern als konkrete Tongestalten; und Favre dengelt dazu auf hellen Cymbals.
Geradezu zu einem Instrument der Magie wird die Perkussion Favres in «Otago Peninsula» – gongartige Klänge verebben hier in langem Nachhall. Und je länger man dieser Platte lauscht, desto spürbarer wird eine geradezu sakrale Dimension, ein Hauch von Tempelmusik. Oft erklingen dumpfe Trommeln in einer gleichmässig schreitenden Rhythmik: Und man stellt sich diese Musik vor zu einem seit unvordenklichen Zeiten spielenden Ritual; es ist, als wolle Favre im Vibrieren der Trommelfelle einen verlorenen Ursprung wiederfinden und Heiliges beschwören. Von Christoph Merki