Pierre Favre: Trotz der kontinuierlichen Zusammenarbeit standen über all die Jahre für uns beide immer eigene Projekte im Vordergrund. Um über so viele Jahre kreativ arbeiten zu können, muss jeder eine starke künstlerische Persönlichkeit entwickeln.
Irène Schweizer: Über die vielen Jahre hat sich eine Freundschaft entwickelt, die über die Musik hinaus viel Verbindendes enthält. Es ist uns gelungen, in unserer Arbeit eine diffizile Balance von Nähe und Distanz zu finden. Wir haben uns beide eigenständig immer wieder neu orientiert. In den Jahren, als Pierre in Paris wohnte, hatten wir fast keinen Kontakt mehr. In den neunziger Jahren fanden wir uns wieder, und es entstand eine neue, intensive Ära der Zusammenarbeit.
Irène Schweizer:Unser Zusammenspiel nutzt sich nicht ab. Im Gegenteil: Wir spielen ja kein festes Repertoire, sondern unsere Zusammenkünfte leben immer auch von Spontaneität, dem Augenblick, der Konzertsituation, somit auch vom Zufall. Klar, wir haben gewisse Strukturen und Themen, mit denen wir jonglieren können. Aber die Musik entsteht jedes Mal neu auf der Bühne. Wir sprechen auch nichts ab. Aber die Jahre der Zusammenarbeit bringen uns einen grossen Reichtum an Mitteln und Erfahrungen. Es entsteht eine Präzision, die durch noch so viele Proben nicht erreicht werden könnte. Das Wichtigste ist, dass wir uns beim Konzert immer hören, sowohl im akustischen Sinne wie in einem übertragenen Sinne. Wenn wir uns hören, können wir uns alles erlauben. Pierre Favre: Obwohl wir eine lange gemeinsame Geschichte haben, spielen wir letztlich nicht oft zusammen. Auch wenn wir in den letzten zehn Jahren so viel zusammengespielt haben wie noch nie, gaben wir vielleicht nicht mehr als ein Konzert pro Monat. Das trug dazu bei, dass unsere Treffen und unsere Konzerte eine Frische bewahrt haben und wir immer wieder neue Überraschungen erleben. Obwohl wir uns so gut kennen und Vertrauen ineinander haben, muss ich für jedes Konzert erneut Mut fassen. Jedes Konzert ist für mich ein Sprung ins Leere. Musik, die aus Vorsicht entsteht, hat keine Spannung. Ohne das Wagnis entsteht keine lebendige Kommunikation.